Zentrum Paul Klee Bern Gegründet von Maurice E. und Martha Müller sowie den Erben Paul Klee
Ausstellungen 07/07—30/10/16

Paul Klee. Ich bin Maler

Für Klee, zunächst in erster Linie Zeichner, war der Weg zur Malerei und zur Farbe ein langer künstlerischer Selbsterfahrungsprozess mit experimentellem Charakter.

«Die Ansicht dass die Malerei der richtige Beruf ist, festigt sich mehr und mehr.» 
Paul Klee, Tagebuch, Nr. 93, März 1900

«Was für ein anziehendes Schicksal, heute die Malerei zu beherrschen (wie ehedem f. den Musiker).» 
Paul Klee, Tagebuch, Nr. 1121, Mai 1918

«Ich bin Maler», schrieb Paul Klee 1914 am Ende seiner Tunisreise in sein Tagebuch. Trotz seines grossen Talentes als Zeichner war sein Weg zur Malerei und zur Farbe ein langer künstlerischer Selbsterfahrungsprozess mit experimentellem Charakter. Die Sammlungsausstellung macht diese spannende Entwicklung erlebbar und zeigt Werke aus allen Schaffensphasen des Künstlers: von seinen Lehrjahren in München bis zu den grandiosen Gemälden seiner letzten Schaffenszeit. Präsentiert wird eine grosse Anzahl bedeutender Aquarelle, Kleisterfarbezeichnungen und Ölgemälden aus den Beständen des Zentrum Paul Klee sowie eine Auswahl seiner innovativen Malutensilien. Klee liebte es, mit verschiedensten künstlerischen Mitteln zu experimentieren und diese zu kombinieren, und war nicht nur in seiner Bildsprache ein Visionär.

Frühe Ölbilder

«Manchmal male ich jetzt versuchsweise in Öl. Über technische Experimente hinaus gelange ich aber nicht. Sicher sehr am Anfang, oder vor dem Anfang!» 
Paul Klee, Tagebuch, Nr. 439, Juli 1902

Im Oktober 1898 zog Klee (geb. 1879) nach München. Da er kaum Kenntnis in der Darstellung des menschlichen Körpers vorweisen konnte, wurde er an der Akademie abgewiesen und besuchte zuerst die Privatschule von Heinrich Knirr. Beim Maler Walter Ziegler griff er erstmals zum Pinsel und übte sich in der Ölmalerei. Meist malte er auf Karton oder auf Leinwand, die er auf einen Karton aufspannte. Sein eher düsterer Stil erinnert an die Dachauer Gruppe oder die Malerei von Adolf Hölzel dieser Zeit. Sein Talent wird insbesondere im Porträt seiner Schwester Mathilde offensichtlich. 1900 wurde er als Schüler von Franz von Stuck, dem Star der Münchner Kunstszene, an der Akademie aufgenommen. Insgesamt fühlte sich Klee in der Ölmalerei unsicher und noch «sehr am Anfang, oder vor dem Anfang», wie er selbst festhielt.

Hinterglasbilder

«Ausserdem bewegte ich mich eifrigst auf der glättesten Fläche, hinter Glas, wurde einfach, warf Ballast ab, bis nur sehr wenig mehr da war.» 
Paul Klee, Tagebuch, Nr. 779, November 1906

Klee beschäftigte sich mit der Technik der Hinterglasmalerei wie nur wenige andere Kunstschaffende seiner Zeit. Zwischen 1905 und 1916 schuf er 64 Hinterglasbilder. Er setzte sich intensiv mit der Technik auseinander und erprobte mit ihr neue Darstellungsformen und Ausdrucksmöglichkeiten. Thematisch und motivisch umfasst die aussergewöhnliche Werkgruppe eine breite Skala, die von Landschafts- und Tierdarstellungen über Porträts bis hin zu satirischen Themen reicht. Ebenso vielfältig experimentierte Klee mit dem neuen Bildträger Glas: von auf Helldunkel reduzierten Werken bis zu farbig hinterlegten Darstellungen, von Ritzzeichnungen bis zu sehr malerischen Werken. 
In der Sammlung des Zentrum Paul Klee sind 42 der Hinterglasbilder gelagert. Die äusserst fragilen Werke wurden inzwischen aufwändig restauriert und im Sinne Klees neu gerahmt.

Aquarelle

«Die Tonalität der letzten Aquarelle suche ich jetzt auf zwei Farben streng aufzubauen, nicht mehr rein gefühlsmässig.» 
Paul Klee an Lily Klee, 16.4.1921

«Lust zum Aquarellmalen. Ausserdem ist noch der Auszug aus dem Ölkeller zu melden, mit der Zeit wird dann der Gestank aus den Kleidern weichen.» 
Paul Klee an Lily Klee, 9.11.1916

Klee wendete viele seiner Techniken auf ungewöhnliche und experimentelle Weise an. Dies gilt auch für seine Aquarelle. Im frühen Schaffen reduzierte er Aquarelle noch auf Abstufungen von Grautönen. Er war unsicher im Umgang mit Farben und wollte sich erst die Möglichkeiten der Helldunkelmalerei aneignen. Erst um 1910 setzte sich Klee mit bunten Aquarellfarben auseinander. Er verwendete sie in transparenten Schichten neben und vor allem übereinander wie in der japanischen Tuschmalerei üblich. Die sehr wässrige Aquarellfarbe trug er auf das wasserbestäubte Papier auf. Einige seiner bekanntesten Aquarelle entstanden während und nach seiner Reise 1914 durch Tunesien. Hier, wohl durch das besondere Licht und die Farben Tunesiens, gewann Klee erstmals eine Sicherheit im Farbauftrag. Während seiner Zeit am Bauhaus in den 1920er Jahren entwickelte er die Aquarelltechnik bis zur Meisterschaft weiter. Transparent schichtete er die Aquarellfarbe in subtilen Nuancen und Abstufungen von Hell und Dunkel zu vielstimmigen Kompositionen.

Ölbilder 1912–1920

Noch zehn Jahr nach seiner Ausbildung fühlte sich Klee im Umgang mit der Farbe unsicher. Über seine Beschäftigung mit Linie und Helldunkel sowie Techniken wie Hinterglasmalerei und Aquarell begann er schliesslich sich wieder mit Ölfarbe zu beschäftigen. Erst nach der Tunesienreise erreichte er erste auch ihn überzeugende Resultate. Seine Malerei war nun bunt und abstrahierend. Flächig-malerische Farbfelder bilden den Hintergrund für Zeichnungen – Menschen, Tiere, Natur, Architektur – mit deren Hilfe er fantasievolle Erzählungen schafft.

Textile Bildträger

Klee nutzte eine aussergewöhnlich grosse Vielfalt an Bildträgermaterialien: Die Palette umfasst verschiedene Sorten Papier, Karton, Holz sowie eine Sammlung unterschiedlicher Textilien. Leinwand, Jute, Seide, Baumwolle, Nesseltuch in Form von Taschentuch, Hemdtuch, Damast, Flugzeugleinen, Schirting (ein leichtes Baumwollgewebe) oder Gaze klebte Klee auf einen zweiten, grösseren Bildträger. Dieser bestand entweder aus starrem Material oder aus einem Gewebe, das auf einem Spannrahmen aufgespannt war. Der farblich abgesetzte Rand des grösseren Bildträgers trug zur Rahmenwirkung bei. Die so aufeinander geklebten Trägermaterialien liess er teilweise ungrundiert und bemalte sie direkt. Trug er eine Grundierungsschicht auf, schöpfte er mehrere Möglichkeiten der Oberflächenbearbeitung aus: dick, dünn, geglättet, pastos, aufgeraut, geritzt, sgraffitoähnlich. Ob mit oder ohne Grundierung nutzte Klee die Gewebestruktur als Element der Oberflächengestaltung.

Textur

«Meine Arbeit betrifft zur Zeit weniger abzuschliessende Bilder, als Versuche mit verschiedenen neuen Grundierungen. [...] Es sind zum Teil Gründe mit viel Sand, aber sachgemäss gearbeitete (in der maltechnischen Versuchswerkstätte).» 
Paul Klee an Lily Klee, 11.3.1932

Die Oberflächen von Klees Werken sind selten glatt, sondern wirken reliefartig. Einerseits bleiben Spuren des Maluntergrundes, das heisst der verschiedenen Textilien, die Klee bemalte, deutlich sichtbar. Insbesondere der von Klee oft verwendete grobe Jutestoff kann eine stark strukturierte Oberfläche erzeugen. Andererseits bemalte Klee die Bildträger oft in verschiedenen Schichten, so dass die Oberfläche plastisch wirkt. Über eine Grundierung legte er die eigentliche Malschicht in Aquarell, Öl oder Kleisterfarbe. In der variierenden Textur dieser Oberflächen sind die Spuren unterschiedlicher Malutensilien wie Palettmesser, Spachtel, Stempel oder Pinsel sichtbar. Er ritzte in die Farbschicht, glättete, schliff und kratzte Farbe ab und applizierte Materialien wie Sand oder Textilien. In einigen Werken simulierte er mit derartigen Arbeitsprozessen Alterspuren, um die Wirkung etwa eines alten Teppichs zu erzielen.

Spritztechnik

Die Spritztechnik wandte Klee vereinzelt bereits vor 1920 an, sie wurde aber erst am Bauhaus ab 1925 zu einem wichtigen Gestaltungsmittel. Für Klee war dieses Verfahren eine weitere Bereicherung seines Repertoires. Die Aquarellfarbe wird mit einer Bürste über ein Sieb gezogen und gelangt so in feinen Tröpfchen auf den darunter liegenden Bildträger. Zur Gestaltung von Konturen oder interessanten Texturen kommen feine Gitter oder Lochbleche zur Anwendung. Klee setzte diese Technik einerseits für wolkig-atmosphärische Hintergrundgestaltungen von Zeichnungen ein. Andererseits auch für die eigentliche Bildgestaltung durch den Einsatz von Schablonen, mit denen er vielschichtige transparente Figuren- und Formgefüge schuf. Klee führte diese Technik auch gerne auf hell oder dunkel grundierten Papieren und Geweben aus.

Kleisterfarbe

«pastose Kleisterfarben (gewachst) Baumwolle auf Karton geklebt; Tafel» 
Paul Klees Eintrag im handschriftlichen OEuvrekatalog zu «Soldat», 1938, 110

Seit den 1920er Jahren setzte Klee häufig Kleister als Bindemittel für ganzflächige Grundierungen ein. Ab 1930 führte er neue Experimente durch, indem er Kleister der eigentlichen Malfarbe beimischte. Er reicherte beispielsweise Aquarell-, Pastell -und Ölfarben mit Kleister an, um den Charakter der Farbe zu verändern. Danach folgten Arbeiten mit einer dickflüssigen, stark deckenden Kleisterfarbe, bei der er vermutlich nur trockene Pigmente in den Kleister einrührte. Klee trug diese Farbe mehrheitlich mit einem Messer auf, welches er als Spachtel verwendete. Bei vielen anderen Arbeiten war der Kleisteranteil im Vergleich zu den Pigmenten hoch. Auf diese Weise blieb die Farbe sehr lange feucht und konnte weiter bearbeitet werden, so dass er die Farbe mit einem Werkzeug (Messer, Holznadel) oder dem Finger auf dem Blatt umverteilen konnte. Die Farbe konzentriert sich jeweils an den Rändern der Spuren. Er schuf so interessante Strukturen, die sich von einem mit einem Pinsel gemalten Bild stark unterscheiden. Im Spätwerk trug er wiederum dickflüssige Kleisterfarbe mit dem Pinsel auf.

Paul Klees letztes Atelier

Am 1. Juni 1934 bezogen Paul und Lily Klee eine Dreizimmerwohnung am Kistlerweg 6 im Berner Elfenauquartier. Es sollte Klees letzte Wohn- und Arbeitsstätte werden. Die Wohnverhältnisse waren bescheiden: Das Wohnzimmer diente Klee als Atelier, da es ein Fenster und eine Balkontüre besass. Lily Klee beschrieb die Wohnung als klein, aber hell und modern eingerichtet. Selbst ausgewählte Bauhaustapeten in einem Ockerton wurden im Atelierraum angebracht. Hier entstanden die Werke der letzten, so umfangreichen Schaffensphase. Aufgrund seiner Krankheit arbeitete Klee ab 1935 meist im Sitzen und nicht mehr stehend an der Staffelei. Zahlreiche seiner verwendeten Malutensilien sind erhalten geblieben. 
Das Haus am Kistlerweg 6 in Bern wurde im Winter 2003/04 renoviert und teilweise umgebaut. Zu sehen ist eine Rekonstruktion des Ateliers im Massstab 1:1, ausgestattet mit originalen Türen.

Späte Gemälde

Nach seiner Rückkehr nach Bern 1933 musste Klee eine Schaffenskrise überwinden. Hinzu kam eine Erkrankung, die ihn in Schüben stark behinderte. Trotzdem hatte Klee nach 1936 eine besonders kreative und produktive Phase. Meisterhaft verbindet er Malerei und Zeichnung mithilfe verschiedenster Techniken und Materialien. Bunte, flächige Partien stehen schwarzen Liniengebilden gegenüber. Ausdrucksstarke Farben verbinden sich mit fantasievollen Erzählungen, die vielfältige Assoziationen erlauben. Motiv, Technik und KIees malerische Mittel wie Farbe, Form und Linie konzentrierte er auf die Darstellung eines bestimmten Inhalts. Meist behandelte er allgemeine Fragen des menschlichen Lebens vom Alltäglichen bis zu grundsätzlichen Fragen: Woher komme ich? Was mache ich hier? Wohin gehe ich? 

Doppelseitige Bilder

Häufig bearbeitete Klee seine Werke beidseitig. Dies geschah bei rund 550 Werken. Diese stattliche Zahl macht Klee zu einem Künstler, der wie kaum ein anderer Vorderund Rückseite behandelte. Klees rückseitige Bilder sind nicht aus Sparmassnahmen entstanden wie bei anderen Künstlern. Ebenso wenig sind sie nur als gescheiterte Kompositionen oder Skizzen anzusehen. Vielmehr sind sie Teil seines Arbeitsprozesses. Bei einigen Gemälden bemalte Klee nicht nur die Vorderseite mehrmals, sondern auch die Rückseite. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wurde ihm dabei erst im Arbeitsprozess klar, welche Seite die schlussendliche Vorderseite darstellen sollte. Zum Teil übermalte er das verworfene Bild der Rückseite. In manchen Fällen bezog er die beiden Bilder motivisch, inhaltlich oder kompositorisch aufeinander. Bei Klees Gemälden kommen die rückseitigen Bilder oft erst durch restauratorische oder kunsthistorische Untersuchungen zu tage.

Zerschnittene Werke

«Grundsatz ‹was mir nicht passt schneide ich mit der Schere weg›.» 
Paul Klee, Tagebuch, Nr. 892, Januar/Februar 1911

Vor allem nach der Tunisreise bis Anfang der 1920er Jahre bearbeitete Klee häufig seine Aquarelle und Ölbilder nachträglich. Er drehte sie um, übermalte, zerschnitt, beschnitt und fügte Einzelteile wieder zu einem neuen Ganzen zusammen. Häufig kam die Schere zur nachträglichen Bearbeitung der Werke zum Einsatz. Die Werke «Friedhof» und «Mädchen am Fenster» sind beispielsweise zwei von einmal sieben Teilstücken eines einzigen Bildes. Aus den Einzelteilen machte Klee eigenständige Werke ohne Zusammenhang untereinander. Ebenso sind «Kränze für M» und «Garten=Rhythmus» aus einem einzigen Bildträger entstanden, den Klee nicht nachträglich, sondern während des Arbeitsprozesses bereits zerteilte.

Bildgründe – vielschichtig

Einen erheblichen Teil der Wirkung seiner Werke erzielte Klee durch einen mehrschichtigen Aufbau. Dies fängt mit der Auswahl eines Bildträgers an, der von Karton oder Sperrholz bis zu unterschiedlichsten Textilien reichen konnte. Auf starre Bildträger wie Karton oder Holz klebte Klee teils zusätzlich Textilien. In einem nächsten Schritt grundierte Klee einen Teil seiner Werke mit Gips oder Kreide. Entweder auf den unbehandelten Bildträger oder die Grundierung malte Klee mit Öl, Aquarell oder Kleisterfarbe oder in Mischungen dieser Techniken. Meist ist dieser aufwändige Arbeitsprozess im vollendeten Werk bewusst sichtbar und nachvollziehbar. Die Struktur des Jutestoffes oder eines Gazestücks bleibt erhalten, indem Klee die Farben lasierend, also nicht vollständig deckend aufträgt. In anderen Werken trägt er Farbe dickflüssig auf und gestaltet mit ihrer Hilfe eine Oberflächenstruktur.

Detailaufnahmen

An den beiden Seitenwänden sind Makroaufnahmen von Paul Klees Werken zu sehen. Sie zeigen im Detail die Vielfalt der Techniken, Materialien und Texturen in seinem Schaffen. Ein Teil der Aufnahmen stammt von Werken, die in der Ausstellung vertreten sind.